Rezension zu „111 Gründe die Ostsee zu lieben“

Meine Rezension zu dem neu erschienene Taschenbuch „111 Gründe die Ostsee zu lieben“ von Jörg und Renate Mehrwald.

11 Gründe die Ostsee zu lieben von Renate Petra und Jörg Mehrwald

Eine Liebeserklärung an die Küste des Bernsteins, Störtebekers und der Strandkörbe

256 Seiten

Die erste Auflage erschien im Juli 2013 im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag und ist Bestandteil der 111 Gründe … zu lieben Reihe.

Für die Autoren, das Ehepaar Mehrwald, ist die Ostsee die schönste Badewanne der Nordhalbkugel. Das klingt vermessen, aber kein Binnenmeer bietet soviel landschaftliche Abwechslung und so eine reichhaltige Kultur und Geschichte wie das größte Brackwassermeer.

Jörg Mehrwald weiß seine Erfahrungen als Autor für diverse TV-Produktionen (u.a. 7 Tage 7 Köpfe) und Romancier gewinnbringend einzusetzen. Durch den lockeren und gut verständlichen Schreibstil liest man das Buch schnell durch. Die Schrift ist gut gesetzt, das Papier akzeptabel und nicht zu weiß. Abbildungen in Form von Photographien oder Gemälden weist die Publikation leider nicht auf, wenn man mal von den handgezeichneten Möwen absieht, die fast auf jeder zweiten Seite zu finden sind.

Gleich vorweg: Lassen sie sich nicht vom Titel irreführen, denn die gesamte Ostsee wird gar nicht abgehandelt. Nur die deutsche Ostseeküste zwischen Flensburg und Ahlbeck. Die Küste Pommerns mit ihren kilometerlangen, urtümlichen und fast unberührten Sandstränden, den Wanderdünen, die Frische und Kurische Nehrung, die Schärenküste Schwedens, die alten und ehrwürdigen Hanse- und Reichsstädte werden somit völlig ausgeblendet. Darauf hätte man im Untertitel ruhig hinweisen können.

In der Erklärung zum Buch heißt es von den Mehrwalds, dass sie wissen wollten, wieviele Gründe ihnen spontan zur Ostsee einfallen würden. Bei 200 entschieden sie, dass es für ein Buch reichen würde. Um etwas Ordnung in diese ad hoc Sammlung zu bringen, wurde alles in die folgenden mehr oder weniger aussagekräftigen Kapitel eingeordnet:

  1. Seekiste 1 – Die schönste Badewanne auf der nördlichen Halbkugel ist die Ostsee …
  2. Von Flensburg bis Kiel – Der Beginn einer Reise
  3. Von Kalifornien an der Ostsee – über die Insel der Leuchttürme und Camper bis zur legendären Passat
  4. Von der Aida in Rostock bis zum Mississippi-Raddampfer in Zingst
  5. Hiddensee – dat söte Länneken – Ein Insel-Special
  6. Stralsund und Rügen – Venedig des Nordens und Inselarchipel
  7. Ein kleines Logbuch mit Liebeserklärungen – Allen voran das Ostseewellenlied
  8. Bernstein – das begehrte Gold der Ostsee
  9. Renaissance regionaler Produkte
  10. Usedom – Das Bade- und Erholungsparadies im Landkreis Ost-Vorpommern
  11. Seekiste 2 – Alles, was einen echte Seebären sonst noch interessiert

Auch mit der Formulierung von Gründen, die Ostsee zu lieben, habe ich so meine Probleme. Es sind eher 111 Fakten und Anekdoten, die zwar wissenswert und zum Teil neckisch geschrieben sind – aber bei mir nicht unbedingt ein Liebesgefühl erzeugen. Mehrwalds breiten hier einige Fakten und eigene Erfahrungen sowie Begebenheiten von der Ostseeküste aus – die sich unerwartet distanziert lesen. Das mag an manchen Themenpunkten liegen, bei denen man den Verdacht hat, sie dienen im Buch nur als Lückenfüller. Ob dem Schloss Gottorf in Schleswig Holstein vor 300 Jahren nun ein späterer russischer Zar entsprungen ist, mag für historisch Interessierte von Belang sein – aber deshalb liebe ich nicht gleich die Ostsee. Auch dass Gitarrengott Hendrix auf Fehmarn sein letztes Konzert gab, ist sicher nett zu wissen – aber heute berührt das nur wenige Leser. Dann wiederum gibt es Gründe, an denen sich die Autoren festbeissen und diese unter leicht veränderter Überschrift gleich mehrfach abhandeln. Dafür fallen dann gezwungenermaßen einige touristische Anziehungspunkte weg. Ich habe alle 111 Gründe abgesucht, aber Highlights wie der Königsstuhl auf Rügen (im UNESCO Weltnaturerbe Jasmund gelegen), das Kap Arkona oder die Künstlerkolonie Ahrenshoop auf dem Darß tauchen überhaupt nicht auf. Auch kann ich die merkwürdige Fixierung auf den Strandkorb oder den Sanddorn nicht ganz nachvollziehen. Wobei ihm bei letzterem auch noch ein Fehler unterläuft. Die Früchte dieses Strauches weisen nämlich nicht den höchsten Vitamingehalt in Deutschland heimischer Pflanzen auf – das ist mit Abstand die Hagebutte (etwa 3mal soviel wie der Sanddorn). Die strahlt aber kein Sexappeal aus und hat auch keine Lobby wie der unverarbeitet sauer schmeckende Sanddorn, den man mittlerweile sogar heiß als Grog trinkt oder sich als Bestandteil einer Wellnessanwendung auf den Körper schmiert.

Der Insel Hiddensee, dat söte Länneken („das süße Ländchen“), wird ein Extra-Kapitel gewidmet. Das hat nur den Grund, dass Mehrwald hier in der Sommersaison Betreiber des Zeltkinos ist, was er auch als einen Grund anbringt (inklusive einem Loblied auf die Verwaltungsangestellten und Verantwortlichen, mit denen er diesbezüglich zusammenarbeitet). Ob das die Leser interessiert, mag dahingestellt bleiben. Wenn man schon eine Insel besonders hervorhebt, sollte sich das auch in den festgehaltenen Anekdoten widerspiegeln. Da gäbe es zwar auf Hiddensee so einiges, aber Mehrwald konzentriert sich beispielsweise eher auf Charaktere wie den Inselpolizisten, der es durch seine Kauzigkeit und Übererfüllung der Pflicht zu lokaler Berühmtheit gebracht hat. Das fesselt keinen Leser noch strahlt das etwas Sympathisches aus. Mir fällt aus dem Stehgreif sofort die Geschichte von Hauptmanns Beerdigung ein, bei der die Sargträger so betrunken waren, dass sie fast den Sarg hätten fallen lassen.

Insgesamt hätte ein rigideres und strengeres Lektorat dem Buch sicher gut getan. Dann wären die sperrigen Kapitelbezeichnungen und manche überlangen (und auch absurden) Gründe durch etwas mehr handlicheres ersetzt worden. Das Buch zeigt gute Ansätze, die aber nicht in ihrem ganzen Potential ausgeschöpft werden. Es wirkt alles immer etwas unausgearbeitet und unter Zeitdruck zusammengetragen. Vielleicht aollte man warten, bis das in der nächsten Auflage behoben ist?!

Das Buch ist vor allem als Unterhaltungslektüre während des Urlaubes geeignet. Man kann es an den Strand mitnehmen oder liest es an einem der seltenen Regentage in der Unterkunft. Format und Gewicht sind wie dafür gemacht. Es verschwindet einfach in der Umhängetasche und kann in jedem Augenblick mit „Leerlauf“ hervorgeholt werden. Es unterhält und entlockt einem oft ein staunendes „Aha …“ oder „Sieh mal einer an“. Hierbei handelt es sich um ein Buch, das man sich klassisch vor Ort kauft, statt im Vorfeld einer Reise um es – sagen wir mal – als Urlaubsvorbereitung zu nutzen. Dafür ist es dann doch zu trivial und nicht umfassend genug.

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