Die in Deutschland immer noch bekannte und beliebtere dänische Stummfilmschauspielerin Asta Nielsen (oder auch hier) verbrachte von 1928 bis 1936 den Sommer auf Hiddensee. Zu diesem Zweck erwarb Sie am Seglerhafen in Vitte ein kleines Häuschen, das als „Karusel“ bekannt wurde.
Vorgeschichte des Asta-Nielsen-Hauses
Der Berliner Direktor Müller beauftragte Anfang der 1920er den Architekten (und Maler) Max Taut für ihn ein Haus als Sommerfrische auf Hiddensee zu errichten. In direkter Nachbarschaft findet sich auch ein weiteres Bauwerk Tauts aus dieser Zeit. Die Hiddenseer nennen es das Haus mit dem schiefen Dach. Auch in Kloster hinterließ Max Taut, der immer im Schatten seines berühmteren Bruders Bruno Taut stand, Spuren seines Entwurfsgenies. Das sogenannte Doktorandenhaus der Biologischen Station und den Pingelpilz kann man leider nur von außen betrachten.
Aber zurück zum Asta-Nielsen-Haus. Direktor Müller kann (wenn überhaupt) sein Haus nur für kurze Zeit genutzt haben, denn schon 6 Jahre nach Errichtung hat es Asta Nielsen gekauft, die hier ihre Sommer verbringen gedachte. In Berlin besaß sie bereits eine riesige Stadtwohnung. Das Sommerhäuschen auf Hiddensee war der komplette Gegenentwurf davon und ein Refugium fernab des Großstadtrummels.
Das Karusel – unverwechselbar in Architektur und Gestaltung
Durch den quadratischen Grundriss, bei dem zusätzlich noch zwei Ecken abgerundet sind sowie den 3 Bändern in Himmelblau am Korpus entstand bei Nielsen wohl der Eindruck eines sich bewegenden Karussels, weshalb Sie das Haus auch so nannte. In Ihrer dänischen Muttersprache war dies ‚Karusel‚ oder auch ‚Carousel‘. Taut hat ihr ganze Arbeit geleistet, der Entwurf ist beschwingt und leicht, das Zusammenspiel von Form und Farbe überzeugt.
Im Inneren finden sich dann auch die Farben der Insel wieder: das Blau des Meeres, Leuchtende Orangetöne des Sanddorn, Gelb-Braun-Töne von Schilf oder Sand und das Altrosa der Dünenrose. Die Sprossenfenster lassen sich nur nach außen öffnen, sodass der wenige Platz im Innenraum durch die Fensterflügel nicht vergeudet wird. Zudem drückt sich der Wind damit selbst die Fenster zu.
Das Haus bietet mit seiner Grundfläche von 9 x 9 Metern nicht viel Platz, wovon man sich bei einer Besichtigung überzeugen kann. Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss wird vor allem durch die Rundung im Fensterbereich geprägt.
Obwohl die Stummfilmära ihre große Zeit war, hofierten sie die Nationalsozialisten und allen voran Propagandaminister Joseph Goebbels. Ihr Ruhm war ja unter Filmschaffenden und Publikum ungebrochen und sollte nun für die Reputation der neuen Machthaber herhalten müssen. Laut ihrer Biographie bot ihr Goebbels einen eigene Produktionsfirma an, die vom Staat gefördert würde. Asta Nielsen zeigte sich aber eher erschrocken, was die Entwicklungen in Deutschland nach der Machtergreifung betraf, und kehrte diesem Land und somit auch Hiddensee und ihrem Karusel für immer den Rücken. Ihr kleines Häuschen sollte sie nie wiedersehen. Das wurde nach 1945 von der Gemeinde Hiddensee in Obhut genommen und als Flüchtlingsunterkunft benutzt. Danach wohnte ein Lehrerehepaar dort drin. Christian Theede, der letzte Ehemann von Asta Nielsen, war dann doch einmal zu Besuch auf der Insel Hiddensee und hat das Karusel in Augenschein genommen.
Als Freund der Schauspielerin weilte der Dichter Joachim Ringelnatz im kleinen, bunten Haus am Ortsende von Vitte. Es müssen heitere und beschwingte Abende gewesen sein, wenn man den Berichten der Beteiligten Glauben schenken darf. Ringelnatz, zumeist erfolglos von der Bernsteinsuche am Strand zurückgekehrt, fand hier die Aufmunterung und Zerstreuung, nach der er sich sehnte. Zahlreiche Kurzgedichte, in denen die Insel Hiddensee und speziell das Domizil der dänischen Freundin liebevoll erwähnt werden, belegen dies nachhaltig. Ansonsten stromerte er über die Insel, trank mit den Fischern Korn aus Wassergläsern und baute Sandburgen am Strand, während er seine besten Anzüge trug.
Dazu kommen Besuche von Weggefährten wie Heinrich George (der Vater vom Schimanski-Götz George), Mascha Kaleko, Otto Gebühr und vielen anderen Künstlern und Weggefährten der späten 20er Jahre.
Zum populären Volksschauspieler Gebühr hatte die Nielsen eine ganz besondere Beziehung. Gebühr zählte auch den wenigen Künstlern, die ein eigenes Domizil auf Hiddensee hatten und sich nicht wie so viele andere einmieten musste. Sein Häuschen befindet sich im Wiesenweg/Kloster und zu den goldenen Zeiten Hiddensees gab es freie Sicht zum Karusel. Nun hatten sich Nielsen und Gebühr eine Art Flaggencode zurechtgelegt, über den sie von Haus zu Haus kommunizierten und sich zum Kaffee, Strand oder Rotwein am Abend verabredeten.
Wenn Sie mehr über das Leben von Asta Nielsen erfahren wollen, empfehle ich Ihnen die Veröffentlichung von Renate Seydel, die auch die Buchhandlung Koralle in Vitte führt. Frau Seydel ist durch ihre Asta Nielsen Bücher eine echte Expertin.
Besichtigungen und Führungen durch das Karusel
Dadurch, dass das Haus jetzt wieder im Besitz der Gemeinde ist, können dort auch wieder Führungen durchgeführt bzw. Besichtigungen angeboten werden. Für die Führung bezahlt man 7 € und wird ca. 1 Stunde von (meistens) Marion Magas herumgeführt. Der Inhalt der Führung ist zweigeteilt. Einmal geht es um die Hiddenseer Aufenthalte der Nielsen und der andere Teil ist dem Haus bzw. Max Taut als Architekten gewidmet. Der Teil über Asta Nielsen ist in Ordnung und bei allem was das Haus oder Taut betrifft muss man wissen, daß Frau Magas keine Architekten ist oder den entsprechenden Background hat.
Es ist erstaunlich, wieviele originale Möbel und Einrichtungsgegenstände aus der Zeit Nielsens noch vorhanden sind. Gehen sie mal in das Schlafzimmer und schauen sie, in was für einem kleinen Bett die Nielsen geschlafen hat. Gleichzeitig werden sie sich wundern, wie übersichtlich, um nicht zu sagen eng, die Schlafkammer war. Und dann denken sie daran, dass hier nicht irgendwer gelebt hat, sondern DIE Filmdiva der 20er Jahre, die mit ihren Filmen und ihrem eigenen Filmstudio ein Vermögen verdient hat.
Die Küche darf man aus unerfindlichen Gründen nicht besichtigen.
Hochzeiten im Asta-Nielsen-Haus
Im Karusel werden vom Standesamt West-Rügen auch Trauungen durchgeführt. Bei der standesamtlichen Trauung sind 10 Gäste erlaubt und 250 € Gebühr zu entrichten. Wie man hört, ist das Karusel dahingehend sehr gefragt, so dass eine Terminsuche schwierig wird, da die Standesbeamten immer erst auf die Insel eingeschifft werden müssen. Eine Trauung auf Hiddensee, dazu noch in so einer exklusiven Location, ist ein besonderes Erlebnis und ist allen Aufwand wert.
Kontakt zum Standesamt West-Rügen:
Frau Carmen Karbe
Telefon 038309 – 15 928
c.karbe@amt-westruegen.de
beim Amt West-Rügen / Standesamt
Dorfplatz 2
18573 Samtens